
Woher kommt eigentlich Ihr Glaubenswissen?
Vielleicht denken Sie zuerst an die Vorbereitungszeit für Erstkommunion und Firmung, an den Religionsunterricht oder an das Aufwachsen in der Familie. Viele Menschen wachsen mit dem Glauben auf, der ihnen von Kindesbeinen an vermittelt wird. Manches wird vielleicht unhinterfragt übernommen, manches von Zeit zu Zeit in Frage gestellt. In vielen Fällen aber ist es so, dass die Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben und seinen Inhalten maßgeblich in der Kindheit und Jugend stattfindet. In der Tageslesung (2 Tim 3,14-4,2) nimmt Paulus in seinem Wort an Timotheus darauf Bezug: „Du weißt, von wem Du es gelernt hast; denn Du kennst von Kindheit an die heiligen Schriften“. Es ist wichtig und hilfreich, schon von Anfang an mit dem Glauben an Jesus Christus vertraut zu werden, denn so kann eine Basis gelegt werden für ein Leben aus dem Glauben.
Allerdings ist Erziehung im Glauben keine Einbahnstraße. Man kann Menschen nicht einfach den Glauben wie ein Glas Wein eingießen oder Glauben „machen“. Paulus verwendet hier ein entscheidendes Wort: Bleibe bei dem, wovon Du Dich „überzeugt“ hast. Glauben hat immer auch mit der aktiven Annahme jeder einzelnen Person zu tun: Ich muss mich selbst vom Glauben überzeugen. Das ist sicher nicht immer einfach und je nach Lebensphase und Lebensumständen mit Herausforderungen verbunden. Dabei braucht es einerseits eine gute Grundlegung durch andere, aber auch die Möglichkeit einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Glauben.
Überzeugt sein heißt ja: Ich bin völlig einverstanden damit, und zwar sowohl auf einer kognitiven Ebene als auch emotional. Ja, es heißt: Ich bin bereit, nach diesem Glauben zu handeln. Deshalb sagt Paulus auch: „Jede Schrift ist, als von Gott eingegeben, auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes gerüstet ist, ausgerüstet zu jedem guten Werk.“ Hier wird wieder deutlich, dass Glauben mehr ist als ein theoretisches Fürwahrhalten, sondern dass es gerade um die guten Werke, also das konkrete Handeln geht.
Paulus betont also einerseits den Wert und die Bedeutung des grundgelegten Glaubens – das, wovon ich von Kindesbeinen an überzeugt in – und fordert andererseits auf, sich den Schriften zu nähern, und zwar um weise zu werden und so das Heil zu finden. Vielleicht kann es hilfreich sein, sich selbst Gedanken zu machen: Woher kommt denn mein Glaubenswissen? Habe ich das, was ich früher mal gelernt habe, kritisch überprüft, reflektiert, hinterfragt, mich davon wirklich überzeugen können? Welche Bedeutung hat die Heilige Schrift in meinem Alltag und mit wem komme ich dazu eigentlich ins Gespräch?
Vielleicht ist es wohltuend, sich regelmäßig der Heiligen Schrift zu nähern, den eigenen Glauben zu vertiefen und auch Althergebrachtes kritisch zu hinterfragen, um den eigenen Glauben authentisch leben zu können. Nicht selten kommt es ja vor, dass Menschen Glaubenssätze aus ihrer Kindheit mit sich herumtragen, die ihnen zur Last werden, weil sie unhinterfragt bleiben und zugleich den eigenen Glauben behindern. Da kann es hilfreich sein, diesen Glaubenssätzen nachzugehen und so zu einem größeren Wissen über den eigenen Glauben zu gelangen. Dazu braucht es kein Theologiestudium (obwohl das auch sehr spannend und hilfreich ist!), aber vielleicht eine Offenheit dazu, mit anderen über Glaubensfragen und über die Heilige Schrift ins Gespräch zu kommen. Denn ist es nicht gut, den eigenen Glauben zu kennen und so – wie Paulus schreibt – „gerüstet“ zu sein „zu jedem guten Werk“?
Einen frohen Sonntag mit viel Mut, Kraft und Glauben wünscht Ihnen – Ihr Jonas Borgwardt